Gerald – Okinawa
Okinawa -Insel des langen Lebens: Mit 60 Jahren wirst du geboren, mit
70 bist du ein Kind, mit 80 jugendlich, mit 90 erwachsen und dann
erzählst Du Deinen Ahnen, sie mögen warten, da Du Deinen
Hundertsten zu feiern hast und sie mögen sich gedulden, bis zu Deinem
Einhundertundzehnten – Dann bist Du bereit. Doch nicht früher, da es
noch so viel zu tun gibt. Es gilt den Tag zu bestellen, den Tag zu
erleben, täglich zu ernten, täglich zu gestalten. In der Gemeinschaft
anerkannt zu werden, wie auch nützlich zu sein, die Feste des alten und
des neuen zu feiern, zu kommunizieren, zu gestalten. Ein Teil zu sein
von allem. Am Tag und in der Nacht. Es gibt noch so viel zu entdecken
und zu erleben. Dabei ist die Lebenszeit oft schon lange
abgelaufen…doch die Menschen hier auf Okinawa machen einfach
weiter , als würde es sie gar nicht interessieren. Lass den Tod doch
kommen, wir gehen einfach weiter. Mit 102 Jahren wurde eine Frau als
Gemüseverkaeuferin in Naha eingestellt. Mit über 90 Jahren treffen
sich die Frauen aus Onni im Norden der Insel zum Gateball. Gegen die
ebenso alten Männer des Ortes auf dem Sportplatz. Eine Mannschaft
verliert, doch es gibt eine Revanche in der kommenden Woche. So
haben doch alle gewonnen. Und es ist der Respekt, die Achtung, die
den alten Menschen entgegengebracht wird. Sie sind Teil des Lebens
und werden bewundert ob ihres Alters und ihrer Dynamik. Früh
aufstehen und das Feld bestellen, Tagesarbeit verrichten, danach Sport
treiben.
Die Bittergurke. Sie steht stellvertretend für die gute Ernährung. Wenig
Fleisch, viel Gemüse, Fisch und Algen. Vor allem vieles selber anbauen
und ernten oder fangen und verwenden. Goya, heisst die Bittergurke
und viele glauben, sie ist das Geheimnis, dass so viele Menschen hier
über 90 Jahre und dann noch so viele über 100 Jahre alt werden. Es sei
aber auch die Bewegung. Statt zu fahren, wird in den Orten auf dem
Land viel gelaufen. Bewegung als Selbstzweck und für ein langes
Leben. Und wer doch fährt, der fährt auch mit 104 Jahren, wegen des
nicht vorhandenen öffentlichem Verkehrsnetzes.Und wer raucht, der
raucht auch mit 102 Jahren.Und wer dem Alkohol zugeneigt ist, der
säuft auch mit 101 Jahren. Die Gemeinschaft ist es, die den Unterschied
ausmacht. Anerkannt zu werden, geachtet zu werden. Teil der
Gesellschaft zu sein . Nicht in irgendeine Ecke abgelegt zu sein, sich
aber auch nicht abzulegen. Mitten drin zu sein im Leben. Nicht
aufzuhören mit seinem Leben. Etwas zu bewirken, Erfahrung weiter zu
geben und dadurch Anerkennung zu bekommen. Und die Bittergurke?
Daran glauben wohl mehr die Fremden, die, welche hierher kommen,
um das Geheimnis des langen Lebens zu finden. Die, welche auf der
Suche nach einer einfachen Lösung sind. Doch die gibt es nicht. Es ist
das Handeln und nicht das Aufhören, nicht das sich zurückziehen ins
Schneckenhaus. Ein Leben lang du selbst und ein Teil von allem zu
sein. Dies ist womöglich das große Geheimnis des langen Lebens.
Warum ich dies schreibe? Weil ich erfahren habe, das es hier weltweit
mit die ältesten Menschen der Welt geben soll. Menschen, mit einer
langen Lebenszeit. Sehr viele über Hundertjährige, noch viel, viel mehr
über 90-jährige und diese noch mitten im Leben stehend und Teil, nicht
geduldetes Anhängsel, einer Gemeinschaft. Ich dachte Okinawa wäre
eher was für mich als Liebhaber abseits gelegener Reiseziele. Eine
Inselgruppe, fernab der Hauptinsel. Mit einer blutigen Geschichte, weil
einer grausamen Schlacht zwischen Amerikanern und Japanern kurz
vor Ende des 2.Weltkrieges. Doch mit Stränden wie Korallen und einer
Meeresfauna und Flora, die der Südsee nicht so fern ist. Eine ruhige
Insel, nicht vergleichbar mit der Hektik und dem Tempo wie in Osaka,
Tokyo und unzähligen anderen japanischen Städten. Und vor allem…,
wer konsumiert schon als westlicher Tourist Okinawa? So erwartete ich
nicht deutsches, wie europäisches Urlaubs-, Strand und Scheinleben, in
irgendwelchen Touristengettos, sondern….. was auch immer ich
erwartete, ich fand die Ruhe und die Strände, Besucher aus China,
Korea, Japan selbst, wie aber auch die vorhandene amerikanische
Militärpraesenz hier im Pazifik, gegen die sich immerhin viel
Widerstand unter der Bevölkerung Okinawas (leider nicht in Tokyo)
rührt.., nun, ich fand, was ich erwartet hatte…aber die „Unsterblichkeit“
vieler Menschen hier, hatte mich sehr in seinen Bann gezogen, auch
wenn ich die Bittergurke noch nicht gekostet habe.