Gerald von Bromme nach Adelaide 02/2020

Gerald von Bromme nach Adelaide 02/2020

Per Greyhound Australia durch das Outback Von Broome nach
Adelaide 10. Februar – 1. März 2020
Das Outback. Hier hat die Zeit keine Vergangenheit, keine
Gegenwart, keine Zukunft. Alle Zeitebenen existieren in einem. Wie
Dein Geist ewig ist und lebt. In allen Zeitebenen. Als Geist, der auf die
Geburt wartet. Als Geist, der als menschliche Inkarnation durch die
Welt wandert. Als Geist, der nach dieser unbedeutenden Episode, auf
die Reinkarnation wartet. Was für eine Welt. Hier in der Wüste fühlst
Du die Ewigkeit. Hier wirst Du erschaffen. Aufs Neue. In der Ruhe und
Stille der Einsamkeit. In der Unendlichkeit bist Du verborgen.
Gegenwart
Deine Identität wird durch das Land geschaffen. Nicht umgekehrt.
Veränderst Du Dein Land, zerstörst Du Deine Seele. Zerstörst Du
Deine Herkunft. Zerstörst Du Dich. Land und Geist sind hier
untrennbar.
Die australische Wüste, das Outback besitzt eine Stille, die man
hören kann. Jeder der sich dorthin „wagt“ spürt dies. Du fährst mit
dem Bus zum Ende von Alice Springs. Alle Buslinien dort enden im
Norden, oder Süden, oder Osten, oder Westen der Stadt. Die Stadt
selbst mit seinen paar tausenden Einwohnern liegt inmitten von
Australien. Im Northern Territory. Inmitten der Wüste dieses riesigen
Inselkontinentes. Das rote Herz des Kontinentes ist Wüste. 2/3 des
Kontinentes ist so. Wüste ist ein trockener, unfruchtbarer, oft mit
Sand bedeckter Landstrich. Öde, unkultiviert, unbewohnt. Tödlich. So
erklären unsere Enzyklopedien. Dort am Rande der lebenden zur
tödlichen Welt, enden die Buslinien. Egal in welcher Himmelsrichtung
Du Dich wendest, hier beginnen die Deserttrails. Meiner beginnt im
Norden. In Sichtweite der McDonald Ranges. Einem Gebirgsmassiv.
Ich habe keine Ahnung ob dieser Gebirgszug ein Heiligtum eines hier
lebenden Aboriginiesstammes ist. Womöglich befinde ich mich –
unverzeilicherweise – auf einem Traumpfad. Ohne dies
wertzuschätzen. Sind doch so viele heilige Orte der Ureinwohner
entwürdigt worden. So viele Traumpfad wurden zerstört. Durch
Menschen meiner Art. Warum sollte ich besser sein? Besser handeln?
Warum sollte ich besser verstehen?
Noch mehr Gegenwart und ganz viel Vergangenheit
Mir begegnen Känguruhs. Eine Schlange windet /schlängelt sich von
mir weg. Die Erde ist rot. Trocken. Ausgemergelt. Hier scheint lange
kein Regen gefallen zu sein. Der Boden ist voller Risse. Lehmboden
halt. Er ist rot. Ein wunderschönes rot. Je nach Tageszeit heller oder
dunkler. Am abend blutrot. Die Hitze nahm gegen Mittag zu. Die
Sonne glühte. Mein Vorrat an Wasser beruhigte mich. Ein Liter. Ein
lächerlicher Gedanke. Ich hier vollkommen fremd. Genauso fremd
wie unsere Kultur hier ewig fremd sein wird.
Die Aboriginiesstämme wissen seit über 40.000 Jahren wie sie hier
leben und überleben konnten und können. Sie wissen alles über
diese Gegend. Meine Kultur, die Eroberungskultur, wir mit unseren
so großen technischen Möglichkeiten, wird dies niemals gelingen.
Hier leben Menschen mit dem Land. Nicht umgekehrt. Ich frage mich
hier gerade wie alt „unsere“ Kultur ist. 8000, vielleicht 10.000 Jahre?
Ich setze dies zu den geschätzten 40.000 Jahren der Ureinwohner.
Minimum 40.000 Jahre. Ich denke darüber nach und ruhe. Auf einem
Fels. Inmitten von tiefrotem Sand und verdorrten Büschen, die auf
den nächsten Regen warten. Ebenso wie die Eukalyptusbäume. Das
umgebende Land leuchtet in sengender Hitze. Irgendwo zwitschern
Sittiche, krakelen Kakadus. Zwei Emus wurden auf mich neugierig.
Verlieren aber glücklicherweise wieder ihre Neugier. Goannas und
Lizards, urzeitlich aussehende Tiere, ziehen von Fels zu Fels auf der
Suche nach Schatten. Sie sehen aus wie Nachfahren von
Dinosauriern. Nur wesentlich kleiner und harmloser. Und wieder
Känguruhs. Ihre Hufe dröhnen mit jeden Sprung. Klack,klack. Klack,
klack. Klack, klack. Ein sehr dumpfer Ton. Als wäre der Boden hohl.
Die Wüste lebt. Und dann wieder Stille. Absolute Stille.
Stille Gegenwart – Zwischen vergangener und zukünftiger Fiktion
Kann man Stille hören? Alles ist nun Still. Totenstille wie man oft sagt,
liegt über der Gegend Die Sonne glüht am Himmel. Schweigend. Es
entsteht eine geheimnisvolle Atmosphäre. Es ist nun alles voller
Ruhe, so als hätte ich die Wüste in mir aufgenommen. Oder die
Wüste hat mich genommen. Kein Ton ist mehr zu hören. Es ist, als
legt sich der wolkenlose Himmel über Dich. Die Luft umarmt Dich.
Alles schwebt. Voller Stille. Die Äste der Büsche und Bäume bewegen
sich lautlos. Ebenso die Halme der Gräser. Alle scheinen Tod und
vertrocknet. Leblos. Doch der Schein trügt. Im Moment sind sie nur
lautlos und warten auf Regen, der irgendwann kommen wird.
Nächstes Jahr. Das Jahr darauf, vielleicht. Die Stille hier ist voller
Gedult. Sie ermahnt Dich. Sie zeigt wie klein und unbedeutend alles
ist. Und auch Du nur bist. Und hier bin ich nun, in einer Welt voller
Lautlosigkeit. Hier erlebe ich eine unendliche Stille. Ich nehme den
Planeten unter mir wahr. Ich sitze auf diesen und bin ein Teil davon.
Fiktive Zeiten
Die Wüste ist nicht Tod. Sie lebt nur anders. Hier gibt es keine vier
Jahreszeiten. Noch nicht einmal zwei. Hier verändert sich alles in
Jahren nicht. Und dann bricht der Himmel auf und schickt die Sintflut.
Dann entstehen neue Flüsse in alten Rinnen. Kleine Seen werden
geboren, dort wo alles ausgetrocknet erschien. Wasserlöcher
entstehen. Klares Wasser von unglaublicher Qualität. Dann erlebt
dieses Land eine neue Zeit. Alles wird anders. Doch nur kurz. Der
gierige Boden schluckt schnell diese Ansammlung von extremen
Regen. Regen als Folge riesiger Gewitter, die das Land silbern
verzaubern.
Die Aboriginies kennen dieses Land. Ihr Land. 90 % der australischen
Ureinwohner leben in der Wüste. Im Innern des Kontinentes oder im
Norden. Dort ganz oben, wo es durchaus auch Feuchtgebiete und
Jahreszeitenklimata gibt. Aber dies nur im Norden. Ansonsten leben
die einzelnen Stämme in der unendlichen Wüste ihr Nomadenleben.
Seit 40.000 Jahren die Heimat von Stämmen. Nie gehören mehr als
fünfhundert zu einem Stamm. Sie leben Im Land ihrer Geburt und
ihrer Ahnen. Sie kennen die Büsche, deren Äste und Blätter wie
Stacheldraht wirken. Sie kennen die Ponnifaxgräser deren Blätter
scharf wie Rasierklingen sind. Sie haben ihre geheimen Wege, kennen
die Gewohnheiten der tierischen Wüstenmitbewohner. Können
essbare Früchte von giftigen unterscheiden. Graben nach
schmackhaften Wurzeln. Machen aus Portulak Brot. Doch ohne
Wasser wäre alles nichts. Sie ziehen auf der Suche
nach Wasservorkommen durch den Kontinent. Sesshaftsein bedeutet
tod. Nirgends hätte man die Möglichkeit dazu. Nie gibt es Wasser für
alle Zeiten. Wie ihre Ahnen, ziehen sie von Wasserloch zu
Wasserloch. Wissen wie diese zu finden sind. Finden Rinnsaale.
Wissen welche Pflanzen in ihren Wurzeln Wasser speichern. Kennen
gar eine besondere Froschart, die Wasser in ihrem Körper speichern.
Man quetscht und drückt diese Tiere bis das Wasser herausläuft. Den
Natives gehört nicht das Land. Sie gehören stattdessen zum Land.
Land kann man nicht besitzen. Die Natur gewährt Ihnen das
überleben. Das Land ist Heilig. Ein zerstörtes Land bedeutet den
Verlust der Lebensgrundlage. Und es bedeutet den Verlust der
Gegenwart. Es wäre das Ende der Vergangenheit, wie der Zukunft.
Das Ende von allem.
Die Zeitlinien – Wo Vergangenheit und Zukunft sich in der
Gegenwart treffen
Sie haben das Wissen ihrer Ahnen. Nicht nur gegenwärtig. Bereits vor
ihrer Geburt lebte ihr Geist in diesem Gebiet. Nach dem ausscheiden
aus der kurzen menschlichen Lebensepoche, lebt ihr Geist wieder in
diesem Gebiet. Die noch nicht geborenen, die Ahnen und die gerade
lebenden bevölkern diesen Kontinent. Alles ist Zeitlos. Alles ist
Gegenwart. Alles ist Geist. Alles gehört zusammen. Alles Leben ist
unendlich. Alles zusammen ist das ewige, unendliche Universum. Der
Anfang. Das Ende. Die Ewigkeit. In unserer aller Zeit. Ein Leben ohne
Götter. Zeitlos und Ewig –
Man benötigt keine Götter, wenn man in ewiger Gegenwart lebt.
Religion macht keinen Sinn. Glaube ist Irrsinn. Es gibt keine
anderweitige Macht, wenn Gegenwart ewig ist.
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft II
Ich begann meine Überlandreise mit dem Greyhoundbus durch den
Norden und durch das innere Herz Australiens in Broome im
Nordwesten des Kontinentes. Durchquerte die Kimberley Region.
Über Fitzroy Crossing und Halls Creek erreichte ich Darwin. Broome
war heiß, schwül und voller Sonne. Darwin voller Gewitter und
extrem heiß und schwül. Dieser Teil der Route bot ein bizzares
Landschaftsbild mit Millionen von Termitenbauten entlang des
Broome – Darwin Northern Highways. Von Darwin fuhr ich mit dem
Bus Richtung Süden, den kompletten Stuart Highway bis nach
Adelaide. Vom nördlichsten Punkt bis zum südlichsten zerschneidet
diese Straße beidseitig und einspurig Australien. Die
entgegenkommenden bizarren Trucks donnern mit vier, fünf
überdimensionalen Anhängern entgegenkommend vorbei. Wie ein
Unwetter. Ebenso stürmisch. Wie der Kampf der Technologie gegen
die Natur.
Der erste Stop in Katherine war gleichbedeutend mit einer
Wetteränderung. Die schwüle Luft wich der trockenen Hitze. Die
Temperaturen lagen zwischen 35 bis 40 Grad. Die Wüste war mein
Begleiter. Über Tennant Creek erreichte ich Alice Springs. Von dort
ging es weiter über das kleine, staubige Nest namens Kulgera nach
Coober Pedy. Kulgera hatte wieder diese Stille. Inmitten des Nichts.
Es war wie ein winziger Asteroid inmitten eines dunklen Universums.
Mit einem Roadhouse und einer Bar. Aber ohne Menschen. Nichts,
ausser Staub, Hitze und Fliegen. Coober Pedy Stunden später, war ein
größeres Nest. Die Menschen leben hier im Untergrund. Unter der
Erdoberfläche oder im Berg. Der Hitze wegen. Der Ort ebenso still.
Glühende Sonne, Staub, Sand und Fliegen. Allerdings voller
Abenteurer. Voller Opale. Voller Alkohol. Voller andernorts
gescheiterter Menschen. Lauter Glücksritter. Dazu gesellten sich
homeless Aboriginies. Wie aber auch Aboriginies in der Community.
Dies war ihr Land. Es war aber auch ein Ort der Zerstörung. Von
gnadenloser Zerstörung voller Gier nach Reichtum der weißen
Menschheit aus dem fernen Europa. Von diesem Ort fuhr ich nach
Adelaide, wo die Temperaturen nur noch 20 bis 25 Grad betrugen.
Ich hatte mir einen alten Traum erfüllt. Mitten durch das australische
Outback zu fahren. Es war teilweise durchaus anstrengend.
Insgesamt knapp über 4800 km mit dem Bus lagen hinter mir. Darin
enthalten drei Nachtfahrten. Die Busse waren nie voll. Überwiegend
nutzten die Aboriginies diese Transportmöglichkeit. Schweigende in
sich gekehrte Menschen, mit denen nur sehr schwer Kontakt zu
bekommen war. Als ich in Adelaide ankam, war ich voller
Begeisterung ob dieser Verwirklichung meines Traumes. Es war aber
auch eine Reise, die viele neue Gedanken und neue Träume
entstehen lies.
Und ich habe gelernt, dass die Wüste voller Leben ist, wenn man
weiß, wo man es finden kann. Die Aboriginies wissen es seit über
40.000 Jahre. Die älteste Kultur unserer Welt, mit einem Weltbild
ohne Götter. Und ich lernte, das die Wüste nicht nur ein Ort ist, wo
habgierige Menschen wie in Coober Pedy nach Opalen schürfen. Sie
gebar eine Kultur, die elementare Fragen des Lebens ganz anders
entwickelt hat. Nie würde ein Ureinwohner Australiens auf die Idee
kommen, nach Opalen zu schürfen. Warum auch. Kann man Opale
essen oder trinken? Wohl kaum.Was wäre wenn Du wüsstest, das
Dein Geist ewig existiert? Als Geist, der auf die Geburt wartet? Als
Mensch der durch die Welt wandert, wenngleich nur als kleine
Episode? Als Geist, der danach auf die Reinkarnation wartet? In der
Welt der Ahnen? Dies wäre ein Teil der Natur des Universums. Die
Natur der Ewigkeit. Die Natur der Zeiten. Ganz ohne Götterglauben.
Eine Welt ohne Religionen. Wie würde unsere Welt ohne Religionen
aussehen? Ohne Aberglaube? Ohne Lügen? Ohne
Selbstverherrlichung? Ohne Scheinheiligkeit? Ohne
Machtstrukturen? Ohne Besitz an Grund und Boden? Ohne
materieller Besitzgier?